Ein Gespräch am Küchentisch

von Dr. Hans-Joachim Rudolph, MRI

Vor einigen Tagen saßen wir zu dritt zusammen und unterhielten uns über alles mögliche. Plötzlich nahm Caetanya mein neues Buch (Microvita: Essays 2017-2023) in die Hand und meinte, dass Prabhat Ranjan Sarkars ‘Four-Chamber-Model’ eigentlich ziemlich unverständlich sei. Es müsste doch möglich sein, es so zu erklären, dass es auch von einem 12-Jährigen verstanden werden kann.

Nun läßt es sich zugegebenermaßen schwer mit einfachen Worten vermitteln. Das liegt daran, dass es dabei nicht um Dinge geht, sondern um einen Hintergrund, der allen Objekten (und Subjekten) zu eigen ist. Man kann das mit einem Fisch vergleichen, der nicht merkt, dass er im Wasser schwimmt; oder mit unseren Vorfahren, die die Luft als etwas Leeres auffassen mussten; oder mit unseren Zeitgenossen, die wie selbstverständlich davon ausgehen, dass wir uns im Raum befinden.

Mathematische versus diskursive Herangehensweise

Wir sprachen davon, dass sich das Vier-Kammer-Modell mathematisch relativ leicht erklären lässt – vorausgesetzt, dass man sich mit der mathematischen Formelsprache vertraut gemacht hat. Schwierig wird es, wenn man dieses Konzept in einfache Worte übersetzen soll. Es geht also, wie gesagt, nicht um Dinge, sondern um deren grundlegende Voraussetzungen. Deshalb versuche ich es jetzt erst einmal über einen Vergleich mit dem Konjunktiv und Indikativ unserer Sprachen, d.h. mit dem Raum der Möglichkeiten und dem Raum der Tatsächlichkeiten – wobei sich letztere nur auf Vergangenes und Gegenwärtiges beziehen können, während sich die Möglichkeiten überwiegend im weiten Feld der Zukunft befinden. Natürlich kann man auch spekulieren, was passiert wäre, wenn sich irgendwann einmal dieses oder jenes ereignet hätte, aber solche Gedankenspiele führen in der Regel zu nichts.

Naturwissenschaftliche Perspektive und neue Ansätze

Im nächsten Schritt ging es erst einmal um die naturwissenschaftliche Herangehensweise. Diese befasst sich ja vorrangig mit der Frage, wie sich vorhandene Materie und Energie am besten manipulieren läßt. Gotthard Günther hatte allerdings angeregt, dass eine neue Wissenschaft sich mit dem Raum und den Möglichkeiten seiner Manipulation befassen müsste. Diese Betrachtungsweise würde dann einen Raum für ganz neue Ansätze und Fragen, die über das traditionelle Verständnis hinausgehen, eröffnen.

Mathematische Konzepte und ihre Verbindung zum Vier-Kammer-Modell

In der weiteren Diskussion ging es um bestimmte mathematische Konzepte und ihre Anwendbarkeit auf das Vier-Kammer-Modell. Als Ausgangspunkt diente der euklidische Raum und das kartesische Koordinatensystem. Anschließend wurden die komplexen Zahlen eingeführt, die zwar schon René Descartes bekannt waren, deren Bedeutung aber erst von Carl Friedrich Gauß verstanden wurde. Mit einer Szene aus dem Film “Die Vermessung der Welt” wurde die Wirkmächtigkeit dieser Idee sowie ihre Relevanz für das Verständnis des Vier-Kammer-Modells verdeutlicht.

Eine weitere interessante Beobachtung ergab sich aus dem permanenten Wechsel zwischen Wahrnehmung und Imagination, wie er bei uns selbst anhand unserer Augenbewegungen festzustellen ist. Dieser erlaubt die Einführung eines komplexen Raumverständnisses, welches, wie der Name schon sagt, ein reales und ein imaginäres Kompartiment umfassen muss. Mit Hilfe dieses Konzepts konnte die Vielschichtigkeit unseres Bewusstseins sowie seine Verbindungen zu mathematischen und philosophischen Ideen, verdeutlicht werden.

Übertragung auf ein kosmisches Bewusstsein

Unsere Diskussion über das Wechselspiel zwischen dem realen und einem imaginären Raum führte zu der Überlegung, dass dieses auch auf das kosmische Bewusstsein übertragen werden müßte. Dabei kamen wir auf den Panpsychismus zu sprechen, welcher davon ausgeht, dass das gesamte Universum von einer Art Bewusstsein durchdrungen ist. Somit konnte das Verständnis des Vier-Kammer-Modells erweitert und gezeigt werden, dass es sich nicht nur auf individuelle Bewusstseinszustände bezieht, sondern auf kosmische Dimensionen ausgedehnt werden kann.

Notwendigkeit eines inneren Beobachters

Im Weiteren richtete sich die Diskussion auf die Notwendigkeit eines inneren Beobachters und damit auf zusätzliche, subjektive Räume. Es wurde deutlich, dass das Vier-Kammer-Modell nicht nur einen Vorstellungsraum umfasst, sondern weitere subjektive Dimensionen berücksichtigt werden müssen, womit sich die Komplexität des Bewusstseins und die Vielschichtigkeit seiner Möglichkeiten noch einmal potenzieren lässt.

Zitat von Einstein und die Einbeziehung der Indischen Philosophie

Anhand eines Zitats von Albert Einstein wurde sodann darauf hingewiesen, dass man die Dinge so einfach wie möglich, aber nicht noch einfacher machen sollte. Angewendet auf das Vier-Kammer-Modell bedeutet das, dass ein Zwei-Kammer-Modell unzureichend wäre und der geforderten Balance zwischen Einfachheit und Vollständigkeit nicht gerecht werden könnte. Deshalb wurden Konzepte der Indischen Philosophie, welche Subjektivität als Mahat und Aham bzw. Jina Purusha und Krta Purusha beschreiben, mit dem Vier-Kammer-Modell in Verbindung gebracht. Diese philosophischen Konzepte bereichern das Modell und zeigen die Vielfalt der Perspektiven auf, die bei seiner Interpretation einbezogen werden müssen.

Einfluss philosophischer und spiritueller Lehren auf das Modell

Anschließend erweiterte sich die Diskussion um den Einfluss abendländischer Philosophen wie Martin Heidegger und Graham Harman. Es wurde darüber gesprochen, wie diese Denker ihre ‘Gevierte’ bzw. ‘Fourfolds’ interpretiert und welche Bedeutung sie ihnen beigemessen haben. Darüber hinaus wurden spirituelle Konzepte, wie die Lehre von den Engeln (Angelistik), den Jinn sowie den Deva- und Pretayonis (mit Yonis als den potenziellen Öffnungen zu anderen Raumzeiten) in Betracht gezogen. Die Erweiterung des Modells um metaphysische und spirituelle Aspekte verdeutlicht seine Anwendbarkeit über die rein wissenschaftlichen Grenzen hinaus.

Anwendungen und praktische Implikationen

Ein weiterer Aspekt der Diskussion war die Anwendung des Vier-Kammer-Modells auf Bereiche der Quantenmechanik, Elektronik, Computerwissenschaft, Robotik und Künstlichen Intelligenz. Damit wurde verdeutlicht, dass das Verständnis der vier Kammern nicht nur theoretisch interessant ist, sondern auch praktische Implikationen haben kann. Schließlich sprachen wir über die Quaternionen, die eine Mathematisierung des Vier-Kammer-Modells ermöglichen. Es wurde darauf hingewiesen, dass das Rechnen mit Quaternionen erst durch eine Epiphanie möglich wurde, die Sir William Rowan Hamilton in Dublin beim Überqueren einer Brücke widerfuhr.

“Renaissance 3.0” und die Mathematisierung der Welt

Zu fortgeschrittener Stunde wandte sich die Diskussion dann der von Peter Weibel konzipierten Ausstellung “Renaissance 3.0” zu (https://zkm.de/de/ausstellung/2023/03/renaissance-30), bei der die aktuellen Entwicklungen in der Hochtechnologie mit ihren Vorgängern in Bagdad und Florenz verglichen wurden. Es wurde betont, dass die Mathematisierung der Welt längst auch die Kunst erfasst hat und dass diese Entwicklung eine lange Vorgeschichte hat. So symbolisiert “Renaissance 3.0” eine neue Ära der technologischen und kreativen Entwicklung, in der die Mathematik eine zentrale Rolle spielt, ähnlich wie auch in früheren Epochen kultureller Erneuerung.

Innere Unendlichkeit und der Unterschied zu Maschinen

Als letzten Punkt betrachteten wir die im menschlichen Wesen liegende Unendlichkeit. Es wurde festgestellt, dass wir unseren Wesenskern, ähnlich wie beim Paradoxon des Wettlaufs zwischen Achilles und der Schildkröte, nie erreichen können. Obwohl wir einen Teil unseres Wesens objektivieren und sogar in Computerprogramme übersetzen können, um so künstliche Intelligenzen zu entwickeln, bleibt die vollständige Erfassung unseres Wesens prinzipiell unmöglich. Damit zeigt sich unser entscheidender Vorteil gegenüber Maschinen in unserer Introzendenz: Als Menschen sind wir in der Lage, uns selbst immer weiter zu reflektieren und eine innere Tiefe zu erkunden, die Maschinen niemals erreichen können. Dieser Unterschied wurde als der wesentliche Grund für unsere prinzipielle Überlegenheit gegenüber künstlichen Intelligenzen hervorgehoben.

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